Anwalts-Tipps: Risiko Fahrerflucht - wie verhalte ich mich richtig?
In unserer täglichen Praxis fällt immer wieder auf, dass zahlreiche Mandanten völlig überrascht werden, wenn sie von der Polizei mit dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort konfrontiert werden. Sie sind der Überzeugung, sie hätten doch eigentlich alles richtig gemacht. Stellt sich dies aber als Irrtum heraus, so drohen je nach Fall zum Teil einschneidende Rechtsfolgen, auf die wir schon an anderer Stelle ausführlich eingegangen sind (vgl. hier).
Zwar gibt es in diesem Bereich des Verkehrsstrafrechts nach unserer umfangreichen Erfahrung viele Ansätze für eine Verteidigung und damit auch häufig die Chance auf ein gutes Verfahrensergebnis.
Besser aber ist freilich, das sprichwörtliche Kind gar nicht erst in den Brunnen fallen zu lassen, sich also schon an der Unfallstelle so zu verhalten, dass es keinerlei Grund für ein Tätigwerden der Polizei und Staatsanwaltschaft gibt.
Hierum soll es im vorliegenden Beitrag gehen. Er dient dazu, schon im Vorhinein eine Strafverfolgung zu verhindern.
Der Gesetzgeber schreibt in § 34 der Straßenverkehrsordnung (StVO) klar vor, was zu tun ist, wenn es zu einer Kollision kam:
(1) Nach einem Verkehrsunfall hat, wer daran beteiligt ist,
1. unverzüglich zu halten,
2. den Verkehr zu sichern und bei geringfügigem Schaden unverzüglich beiseite zu fahren,
3. sich über die Unfallfolgen zu vergewissern,
4. Verletzten zu helfen (§ 323c des Strafgesetzbuchs),
5. anderen am Unfallort anwesenden Beteiligten und Geschädigten
a) anzugeben, dass man am Unfall beteiligt war und
b) auf Verlangen den eigenen Namen und die eigene Anschrift anzugeben sowie den eigenen Führerschein und den Fahrzeugschein vorzuweisen und nach bestem Wissen Angaben über die Haftpflichtversicherung zu machen,
6.a) so lange am Unfallort zu bleiben, bis zugunsten der anderen Beteiligten und Geschädigten die Feststellung der Person, des Fahrzeugs und der Art der Beteiligung durch eigene Anwesenheit ermöglicht wurde oder
b) eine nach den Umständen angemessene Zeit zu warten und am Unfallort den eigenen Namen und die eigene Anschrift zu hinterlassen, wenn niemand bereit war, die Feststellung zu treffen,
7. unverzüglich die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, wenn man sich berechtigt, entschuldigt oder nach Ablauf der Wartefrist (Nummer 6 Buchstabe b) vom Unfallort entfernt hat. Dazu ist mindestens den Berechtigten (Nummer 6 Buchstabe a) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitzuteilen, dass man am Unfall beteiligt gewesen ist, und die eigene Anschrift, den Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort des beteiligten Fahrzeugs anzugeben und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine zumutbare Zeit zur Verfügung zu halten.
(2) Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist jede Person, deren Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann.
(3) Unfallspuren dürfen nicht beseitigt werden, bevor die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind.
Dem ist wenig hinzuzufügen, denn der gesetzliche Pflichten-Katalog ist weitestgehend selbsterklärend.
Wichtig ist aus unserer Sicht aber noch folgender Hinweis:
Wer am Unfallort einem anderen seine Personen- und Fahrzeug-Daten mitteilt, sollte auch von jenem die (am besten von ihm/ihr selbst handschriftlich vermerkten) Kontaktdaten fordern und verwahren, um notwendigenfalls nachträglich beweisen zu können, dass der Datenaustausch erfolgte.
Es gab nämlich bereits Fälle in unserer Kanzlei, bei denen ein Klient sich insofern völlig richtig verhalten hat, gleichwohl die geschädigte Person völlig unvermittelt und aus unerfindlichen Gründen bei der Polizei vorsprach und behauptete, die für eine Schadenregulierung erforderlichen Informationen nicht erhalten zu haben.
Ist niemand vor Ort bereit, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, sollte tunlichst davon abgesehen werden, einfach nach einer bestimmten Zeit die Unfallstelle ohne weiteres zu verlassen, nachdem völlig unklar und von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, wie lange die "angemessene Zeit" ist. Wer also meint, nun lange genug gewartet zu haben und deswegen wegfahren zu können, läuft stets Gefahr, dass die Strafjustiz eine abweichende Auffassung einnimmt und den Tatbestand des § 142 StGB („unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“) als erfüllt ansieht.
Vorzugswürdig ist stattdessen stets ein Anruf bei der Polizei, der bekanntermaßen rund um die Uhr möglich ist. Dieser sind die konkreten Umstände des Unfalls und die maßgeblichen Daten telefonisch mitzuteilen, wenn keine Bereitschaft besteht, Beamte zur Unfallstelle zu entsenden.
Man sollte sich unbedingt den Namen und Dienstgrad des Gesprächspartners mitteilen lassen und sich diesen notieren. Wenn möglich sollte auch eine Telefonnummer und ein Aktenzeichen festgehalten werden.
Wer ganz auf die sichere Seite gehen will, sollte von zuhause aus dann den Unfallhergang mit den maßgeblichen Daten nochmals zu Händen des Gesprächspartners schriftlich und mit Nachweis an die Polizei senden.
Auf diese Weise ist auszuschließen, dass es zu strafrechtlichen Ermittlungen kommt und die Regulierung des verursachten Fremdschadens kann dann getrost der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung, die natürlich unverzüglich zu informieren ist, überlassen werden.
Sollte es gleichwohl zum Tatvorwurf der Fahrerflucht kommen, so sollte man umgehend einen auf die Verteidigung in Verkehrsstrafsachen spezialisierten Verkehrsrechtsanwalt beauftragen, der dann unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen in die Wege leiten wird.
Dr. Sven Hufnagel
Fachanwalt für Verkehrsrecht